1911
Das Ende der handwerklichen Betriebe – Brauerei-Keller in Mendig
Die Szene zeigt den Vorsteher Eduard Seiler im Brauerei-Keller in Mendig im Krisengespräch mit Mitarbeitern. Wie viele der kleinen handwerklichen Betriebe in der Brüdergemeine Neuwied hatte die Brauerei zu Anfang des 20. Jahrhundert wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die zunehmende Industrialisierung, politische Spannungen und Finanzkrisen setzten ihnen zu.
Zu jeder Siedlung der Brüdergemeine gehörte von Anfang an auch ein Gemeinlogis (Gasthof), damit man Gäste beherbergen konnte. So auch in Neuwied. Als man 1793 ein eigenes Gebäude dafür errichtete, schloss man diesem auch eine Landwirtschaft, eine Brennerei und eine Bierbrauerei an. 1834 wurde die Brauerei eigenständig und entwickelte sich unter der Leitung von Joseph Giesser zu einer der größten Brauereien der Stadt.
Dieser war es auch, auf den der Gedanke zurückgeht, die durch Basaltsteinbrüche entstandenen Felshöhlen in Niedermendig mit ihren konstant niedrigen Temperaturen zur Bierlagerung zu verwenden. Bald schon errichtete man dort eine eigene Brauerei, die schließlich den Großteil der Produktion ausmachte. Das Geschäft florierte einige Jahrzehnte, ging aber Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Der Konjunktureinbruch 1900/1901, der sinkende Bierkonsum, gesellschaftliche Strömungen für Abstinenz und Mäßigung und
Finanzierungsprobleme führten dazu, dass 1911 die Brauerei in Niedermendig und 1923 auch der Rest in Neuwied geschlossen werden mussten.
Eduard Seiler (1858 – 1918, Foto aus Familienbesitz) wurde 1894 als Vorsteher nach Neuwied berufen. Davor hatte er die Geschäfte der Brüdergemeine in Sarepta (Russland) geleitet. Lange hat er für den Erhalt der Brauerei in Neuwied gekämpft. Dabei ging es auch um den Streit, ob die örtlichen Betriebe besser zentral von der Leitung der Brüder-Unität oder vor Ort von den Gemeinden geleitet werden. Die Gewinne wurden ohnehin zu 90 % an die Brüder-Unität abgeführt und trugen zur Finanzierung der weltweiten diakonischen und
missionarischen Arbeit bei.
Heute besteht als einziger Betrieb der Brüdergemeine in Neuwied der „Ofenbau des Brüderhauses“, der bis heute unter anderem Kachelöfen herstellt und verkauft.
