Im 19. Jahrhundert erlebt die Brüdergemeine Neuwied ihre Blütezeit. Die Gemeinde hatte sich in der bürgerlichen Gesellschaft Neuwieds etabliert. Die handwerklichen Betriebe florierten, es war ein Kommen und Gehen von Gästen und Mitarbeitenden. Und die Schulen erfüllten die Viertel mit Leben. Davon zeugen bis heute die großen Gebäude entlang der Friedrichstrasse. Die Szenerie zeigt das wohl erste Fußballspiel in der Region in der Knabenanstalt Neuwied.

Überall, wo die Herrnhuter siedelten, richteten sie Bildungseinrichtungen ein. Schon der alten Brüder-Unität in Böhmen und Mähren war die Unterweisung von Kindern und Jugendlichen ein großes Anliegen. Ihr letzter Bischof Jan Amos Comenius ist auch als großer Pädagoge bekannt. Zinzendorf entwickelte diese kindgemäße Pädagogik weiter.
Nicht Beschränkung, sondern Freiheit zur Entfaltung sollten das Aufwachsen der jungen Menschen in den Familien und in den Anstalten prägen. Diese legten Wert auf eine gute Allgemeinbildung; der religiösen Bildung diente vor allem die Teilnahme am gottesdienstlichen Leben der Gemeinde.

Bereits im Jahre 1756 wurde im Brüderhaus eine Knabenanstalt errichtet und vier Jahre darauf eine Mädchenanstalt im Schwesternhaus. Die Knabenanstalt erlebte ihre Blüte im 19. Jahrhundert; die Schule hatte international einen hervorragenden Ruf. 1850 waren es 150 Schüler, viele aus höhergestellten Kreisen, vor allem aus England, aber auch aus Holland und der Schweiz. Die Engländer brachten auch das Fußballspiel mit nach Neuwied; 1887 wird von einem solchen offiziell berichtet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts blieben die ausländischen Schüler auf Grund der politischen Situation immer mehr aus. 1913 wurde die Knabenanstalt geschlossen, die Mädchenanstalt übernahm das Gebäude. Heute ist in der Zinzendorfschule die „Food-Akademie“ untergebracht.

Die Mädchenanstalt durchlief eine ähnliche Entwicklung. Als Besonderheit erhielten die Mädchen 1874 eine eigene Turnhalle. Da sich die Mädchenanstalt früh auf inländische Schülerinnen umgestellt hatte, bestand sie länger, erlebte ab 1922 eine späte Blüte, bevor sie 1936 geschlossen werden musste.

Für kurze Zeit betrieb die Brüdergemeine in Neuwied eine Handelsschule und eine „Taubstummenanstalt“. Bis heute unterhält die Gemeinde eine Kindertagesstätte.
Auch diese kann als „Kleinkinderschule“ auf eine lange Geschichte seit den Anfängen der Gemeinde zurückblicken. Sie befindet sich im Innenhof hinter dem Kirchensaal und nutzt u.a. die ehemalige Mädchenturnhalle.